Wenn die Lebenslast zu schwer wird

Wenn die Lebenslast zu schwer wird

 

Erst in einem längeren Gespräch mit dem Patienten kam es ans Licht: der 80-jährige war nicht nur wegen seines Knochenbruchs und durch den Aufenthalt in einem Krankenhaus in äußerst gedrückter Stimmung, sondern vor allem, weil er in einer Trauersituation steckte. Dies berichtet Karina Adelmann, Psychologische Psychotherapeutin, deren Schwerpunkt in der Verhaltenstherapie liegt. Sie betreute in der Akutgeriatrie im Wertinger Krankenhaus den alten Mann, als dieser in die Spezialabteilung für Menschen ab 70 Jahren eingewiesen wurde. Leiterin Dr. med. Martina Brielmaier erklärt: „Jeder unserer Patienten erhält bei uns nach Aufnahme eine Beurteilung durch Frau Adelmann, um auch in diesem Bereich die PatientInnen

aufzufangen.“ Diese erinnert sich an den 80-jährigen: „Ein naher Angehöriger war kurz zuvor verstorben und dieser Verlust war von ihm noch überhaupt nicht verarbeitet.“ Sie konnte ihm helfen: „In einem längeren Gespräch fand der Mann die Chance, diese Gefühle zu verarbeiten, er war froh, in dieser Situation jemanden zum Sprechen zu haben.“ Genau das sei die Kunst im Fachbereich von Karina Adelmann, ein sogenanntes supportives Gespräch (englisch: „unterstützen“) mit den Menschen führen zu können, „dies ist Ausbildungsziel des Psychologiestudiums.“ Sagt Professor Dr. Matthias Riepe, Chefarzt für Akutgeriatrie und Gerontopsychiatrie in der Bezirksklinik Günzburg, in der auch Karina Adelmann beschäftigt ist. Man arbeite im Liaisondienst (franz.: „Verbindung von Partnern“) mit den Kreiskliniken Dillingen-Wertingen eng zusammen, erklären Riepe, Adelmann und Brielmaier. Die enge Zusammenarbeit in der Akutgeriatrie mit allen Fachbereichen der medizinischen Versorgung alter Menschen und die Aufenthaltsdauer dort von wenigstens zwei Wochen, bilden auch für Karina Adelmann gute Voraussetzungen für ihre begleitende Behandlung – sofern notwendig. „Sind es nur Anpassungsstörungen an eine neue Lebenssituation oder steckt doch eine Depression dahinter, das gilt es herauszufinden“, so Adelmann. „Die Übergänge von der einen zur anderen Erkrankung sind oft fließend“, sagt Riepe dazu. Deshalb sei festzustellen, „ob der Kontakt mit dem Nervenarzt eingeleitet wird, ob eine medikamentöse Behandlung ausreicht oder ob eine ambulante Behandlung nach der Krankenhausentlassung notwendig wäre, all das sind Ergebnisse der psychologischen und psychiatrischen Arbeit in der Abteilung Akutgeriatrie“, so Riepe weiter. Der Facharzt weiß aus Erfahrung, „dass jeder Dritte über Achtzig kognitive Störungen hat, deshalb ist es so wichtig, dass diese Menschen auch psychologisch und psychiatrisch behandelt werden.“ Er sieht die Aufgabe von Adelmann und ihm im Rahmen der akutgeriatrischen, stationären Behandlung hauptsächlich darin, festzustellen, welche Behandlung notwendig ist und ob weitere Maßnahmen zu ergreifen sind. Denn, ein weiteres Beispiel, sei nicht jede Vergesslichkeit gleich eine Demenz, so Riepe weiter. Adelmann sagt dazu: „Hierfür haben wir Testverfahren, die uns im ersten Schritt helfen zu erkennen, ob es nur der Verdacht einer dementiellen Entwicklung ist, oder ob doch eine Demenz vorliegt.“ Riepe und Adelmann sowie Brielmaier fügen übereinstimmend hinzu, dass eine Abklärung mit dem Nervenarzt und dem Geriater bereits Klarheit bringen kann, dass aber auch eine computertomographische Untersuchung des Kopfs sowie Laborwerte wertvolle Hinweise für die richtige Diagnose und Weiterbehandlung geben können. „Demenz“, so Riepe weiter, „kann gerade bei älteren Menschen auch als Symptom von depressiven Verstimmungen auftreten oder kann durch andere Erkrankungen ausgelöst werden.“ All das gilt es im Vorfeld in der Akutgeriatrie herauszufinden. Die Fachärztin Brielmaier, Professor Riepe und Karina Adelmann sind von der Notwendigkeit der Geriatrie überzeugt, sie sei eine hohe Kunst in der medizinischen Arbeit. „Denn durch fachübergreifende Zusammenarbeit kann der Mensch als Ganzes gesehen und behandelt werden.“ Genau das sei in der Abteilung Akutgeriatrie der Fall.

Doch bei all dem geballten medizinischen Wissen und kompetenter Behandlung ist ein Bereich in den Krankenhäusern auch nicht zu unterschätzen: die Klinikseelsorge. Sie ist im Wertinger Krankenhaus mit Klinikseelsorger Michael Hahn besetzt. Auch er erfülle einen wichtigen Teil für eine erfolgreiche Rehabilitation, sagt Brielmaier abschließend zum ganzheitlichen Konzept ihrer Abteilung. „Die Klinikseelsorge ist nicht nur den PatientInnen oft eine wertvolle Hilfe, sondern dient auch den Angehörigen.“ 

 

Bild und Text von Ulrike Hauke

Skip to content