Damit ein Sturz nicht zum Trauma wird
„Früher war der berüchtigte Oberschenkelhalsbruch für alte Menschen fast ein Todesurteil“, sagt Thomas Moehrke, geschäftsführender Oberarzt im Wertinger Krankenhaus. Seit 2008 behandelt und operiert der erfahrene Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie im Wertinger Haus gebrochene Knochen. Seit des Aufbaus der Abteilung Akutgeriatrie durch Dr. med. Martina Brielmaier, Ärztin für Innere Medizin mit den Qualifikationen Rheumatologie und Geriatrie, hat sich die Zusammenarbeit beider Fachrichtungen intensiviert. Denn gerade für Menschen ab siebzig, welche bereits in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt, aber im Medizinjargon noch „rehafähig“ sind, gilt die zweiwöchige Versorgung in der Akutgeriatrie. „Kommt ein Patient oder Patientin nach Sturz oder Unfall in unser Haus, wird noch während der Aufnahme fachübergreifend festgestellt, wie nach der Operation weiterbehandelt werden kann“, erklären Brielmaier und Moehrke. Es würden sofort auch die Vitalfunktionen der Person getestet. Liegt eventuell eine Osteoporose vor? Ist sie geistig und körperlich so fit, dass sie nach einer OP auf Krücken laufen kann? Kann im Anschluss an die Akutgeriatrie eine Reha erfolgen und kann dann Zuhause wieder ein eigenständiges Leben geführt werden? Brielmaier bringt es auf den Punkt: „Ein bereits vollpflegebedürftiger Patient oder Patientin erfüllen nicht mehr die Vorgaben für unsere umfassende Behandlung.“ Sie würden nach einer Behandlung des akuten Problems in die gewohnte Umgebung zurückverlegt. Das spezielle Zusammenspiel und die permanenten Absprachen der verschiedenen Krankenhausabteilungen nennen die beiden Ärzte Alterstraumatologie. „Ein, vom Ärzteverband vorgegebenes Qualitätsmerkmal, ist gerade dieser intensive Austausch zwischen internistischen Geriatern und der Chirurgie.“ Mittelfristiges Ziel sei es, die Wertinger Klinik als ein Zentrum für Altersmedizin mit alterstraumatologischem Schwerpunkt auszubauen. Das interdisziplinäre Behandeln der Erkrankten habe immer das Bestreben, „dass diese sich wieder eigenständig selbst versorgen und nach Hause entlassen werden können.“ Moehrke beschreibt seine Arbeit im Operationssaal: „Beim Älteren reicht oft nicht die kleine Schraube oder das Plättchen, um einen Bruch zu stabilisieren, sondern es bedarf anderer, belastungsstabiler Implantate.“ Das sei notwendig, da Ältere meist eine Teilbelastung des Bruches nicht umsetzen könnten und ohne das bis zur Heilung ans Bett gefesselt wären. Dem Aufbau dieses Zentrums für Alterstraumatologie geht eine Zertifizierung mit aufwändigen Dokumentationen einher. Diese Mehrarbeit leitet federführend Dr. Frank Auerbach. Er hat seit Jahresbeginn häuserübergreifend die ärztliche Leitung für die Unfall- und orthopädische Chirurgie inne und ist in Dillingen bereits seit 2013 als Chefarzt in diesem Bereich aktiv. Er ist auch Ärztlicher Leiter des Dillinger Medizinischen Versorgungszentrums „DLG MVZ GmbH“. Auerbach bestätigt vorab das von Brielmaier und Moehrke beschriebene Ziel: „Alle genannten Bereiche arbeiten daran, älteren Patienten nach Sturzverletzungen wieder zu Mobilität und Eigenständigkeit zu verhelfen.“ Dafür sorgen neben den Unfallchirurgen und den internistischen Geriatern auch besonders geschulte Pflegefachkräfte, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, Seelsorger, Psychologen und Sozialarbeiter. Als eine Voraussetzung für die angesprochene Zertifizierung nennt Auerbach interdisziplinäre Fallbesprechungen und Schulungen. Die Zertifizierung selbst diene jedoch primär der Qualitätssicherung und -optimierung. „Denn unsere operativen und geriatrischen Prozesse sind standardisiert und erfüllen die Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, außerdem wurden die für das Alterstraumazentrum erforderlichen Kooperationen bereits vereinbart.“ Die Kreisklinik in Dillingen sei bereits seit 2013 ein zertifiziertes lokales Traumazentrum und Mitglied des Traumanetzwerkes Schwaben. Weiter lobt der Spezialist, man verfüge sowohl im Bereich Geriatrie, welche sich in Wertingen im Ausbau befinde, als auch in der Unfallchirurgie über hoch qualifiziertes Personal, was er als ein weiteres Qualitätssiegel betrachte. „Unser interdisziplinär aufgestelltes Team behandelt die geriatrischen Patienten nach speziell entwickelten Behandlungspfaden und arbeitet eng mit niedergelassenen Ärzten und Behandlungspartnern zusammen.“ Sein Fazit zum Thema Zertifizierung für ein Alterstraumazentrum lautet: „Es werden Strukturen und Prozesse durchleuchtet, verbessert und für die Bevölkerung wird sichtbar, dass wir einen bundesweiten Standard in der Patientenversorgung einhalten.“ Weiter würde die häuserübergreifende Zusammenarbeit vertieft. Mit seinen Berufskollegen Brielmaier und Moehrke ist er sich einig: „Aufgrund der demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft, mit älter werdenden Patienten und mit komplexeren Verletzungen und Krankheitsbildern, ist eine Zusammenarbeit der unterschiedlichen medizinischen Berufsgruppen zwingend erforderlich.“